75 Jahre

Befreiung Babelsbergs vom Nationalsozialismus

Ein Projekt der Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes

Prolog

Virtuelles und individuelles Gedenken in pandemischen Zeiten

Dem 75. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus durch die Rote Armee kann in diesem Jahr aufgrund der COVID-19-Pandemie und ihrer daraus resultierenden Beschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen nicht in adäquater und würdiger Weise gedacht und erinnert werden. Im Voraus geplante Veranstaltungen der Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes zur Befreiung von Babelsberg, wie zum Beispiel eine Radtour zu authentischen Orten, mussten wir einstellen. Weil jedoch dieses Datum, dieses Jubiläum, nicht nur wichtig im Kontext der allgemeinen politischen Lage zu sehen ist – in einer Zeit, wo Rassismus, Nationalismus und Populismus wieder salonfähig sind – sondern auch im Kontext der lokalen Geschichte in einem Stadtteil, der stark durch die Arbeiter*innenbewegung geprägt wurde und die letztendlich einen großen Anteil daran hatte, dass Babelsberg ohne große Kämpfe und Opfer befreit werden konnte, möchten wir diese Sonderseite der Öffentlichkeit präsentieren. Mittels einer digitalen Rundtour wollen wir auf historisch interessante Orte in Babelsberg aufmerksam machen. Zu den aktuellen Fotos gibt es je eine Kurzbeschreibung. Des Weiteren wollen wir der Öffentlichkeit Dokumente und Materialien zeigen, die im Zusammenhang mit der Befreiung von Babelsberg, aber auch dem Neuanfang stehen. Wir sind uns bewusst, dass die ausgewählten Quellen und die Literatur, hier vor allem die Erinnerungsberichte, eine gewisse politische Färbung aus der Zeit der DDR beinhalten und deswegen immer im zeitgeschichtlichen Kontext gelesen werden müssen. Nichts desto trotz sind vor allem die historischen Dokumente nicht zu verfälschen und stehen in ihrer Echtheit. Zudem dokumentieren sie die Zeitgeschichte jenes Momentes, der für viele Unsicherheit und Ungewissheit brachte, aber an einem Industriestandort wie Babelsberg – dem ehemaligen Roten Nowawes – mit seiner großen Arbeiter*innenschaft und den tausenden Zwangsarbeiter*innen, auch Befreiung und Erlösung. Mit der Befreiung und Erlösung begann für diese Menschen, die unter der Naziherrschaft Verfolgung, Inhaftierung, Misshandlungen, Qualen bis hin zum Tod erleiden mussten, eine Zeit, um ein neues, ein anderes, ein antifaschistisches Land aufzubauen.

Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes, April 2020

Radtour durch Babelsberg zu historischen Orten der Befreiung

Damit ihr die Stationen der Radtour selbstständig abfahren könnt, findet ihr hier die dazu nötigen Informationen. Die Länge der Tour beträgt 20 km, wenn ihr alle Stationen abfahren wollt. In unserem Tourenvorschlag starten wir am Rathaus Nowawes und fahren alle Stationen im Uhrzeigersinn ab. Nach 1-2 Stunden enden wir am Lutherplatz. Es ist jedoch auch möglich einzelne Stationen auszulassen oder einen anderen Startpunkt zu wählen. Für unterwegs könnt ihr euch ein PDF-Dokument mit allen wichtigen Informationen zur Route und zu den einzelnen Stationen herunterladen oder die GPX-Datei mit allen Koordinaten und Hinweisen zu den Stationen beispielsweise mit der App OsmAnd öffnen.

Die Befreiung von Babelsberg im April 1945 und der Neuanfang

12. Januar: Beginn der Weichsel-Oder-Operation der Roten Armee.

26. Januar: Die 2. Gardepanzerarmee der 1. Belorussischen Front erreicht die alte deutschpolnische Grenze von 1939, sie erreicht damit das Territorium der Mark Brandenburg.

29. Januar: Die 61. sowjetische Armee und die 5. Stoßarmee durchbrechen im Raum Schneidemühl und Schwerin (Neumark) die Befestigungsanlagen der deutschen Truppen an der alten Reichsgrenze. Der Weg zur Oder ist offen und die Reichshauptstadt Berlin im Fokus.

30./31. Januar: Einheiten der Roten Armee überschreiten bei Kienitz die Oder.

1. Februar: Die Reichshauptstadt Berlin wird zum Verteidigungsbereich erklärt.

2. Februar: Die Heeresgruppe Weichsel der deutschen Wehrmacht erhält den Befehl, entlang der Oder eine Verteidigungslinie aufzubauen. Später wird in einem 15 Kilometer breiten Streifen die Bevölkerung evakuiert.
Todesmarsch startet im Außenlager Lieberose des Konzentrationslagers Sachsenhausen, dieser erreicht am 07. Februar Potsdam-Drewitz und am 08. Februar Potsdam.

15. Februar: Verordnung des Reichsjustizministers über die Einrichtung von Standgerichten.

29. März: Fall von Küstrin, bereits eine Woche vorher erfolgte die Einkesselung durch die Rote Armee.

31. März und 20. April: Luftangriffe auf die Stadt Brandenburg.

3. April: „Flaggenbefehl“ tritt in Kraft, beim Hissen der weißen Fahne sind sofort alle männlichen Hausbewohner zu erschießen.

13. April: bei Wittenberge und Magdeburg erreichen die amerikanischen Panzer die Elbe.

14. April: Schwerer Luftangriff auf Potsdam. Tage später gibt die NKFD-Widerstandsgruppe in Babelsberg ein erstes Flugblatt heraus und Alfred Lehnert versteckt sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter*innen in seiner Laube.

16. April: Großoffensive der 1. Belorussischen Front unter Marschall Shukow und der 1. Ukrainische Front unter Marschall Konew, die 1. Ukrainische Front überwindet die Neiße.

17. April: Beginn der Schlacht um die Seelower Höhen.

19. April: Sowjetische Panzer erreichen die Gegend um Lübbenau und Luckau im Süden sowie Strausberg östlich von Berlin.

20. April: Teile der 47. Sowjetischen Armee und der 3. Stoßarmee erreichen die nordöstlichen Berliner Vorstädte.
Befreiung von Bernau.
Baruth wird hart umkämpft.
Der Verschiebebahnhof Seddin wird von der USAF bombardiert, es sterben auch KZ-Häftlinge.

21. April: Die Armeen der 1. Belorussischen Front erreichen den Autobahnring bei Bernau, Fredersdorf, Rüdersdorf, Erkner und Königs Wusterhausen.
Räumung des KZ Sachsenhausen und Todesmarsch von 33.000 Personen aus dem Lager nach Mecklenburg.
Befreiung von Zossen und Aushebung des Oberkommandos des Heeres (OKH) durch die Rote Armee.
Treuenbrietzen wird das erste Mal von der Roten Armee eingenommen.

22. April: Erste Einheiten von Konew erreichen den Teltowkanal an der südlichen Stadtgrenze Berlins bei Teltow.
Die Rote Armee erreicht Saarmund.
Befreiung des KZ Sachsenhausen durch Einheiten der sowjetischen Armee.

23. April: Befreiung von Frankfurt/Oder.
Befreiung von Beelitz.
Kurz vor der Befreiung von Potsdam-Babelsberg gibt die NKFD-Widerstandsgruppe ein weiteres Flugblatt als Tagesbefehl an Bevölkerung und Volkssturm heraus.

24. April: Befreiung von Potsdam-Babelsberg.
Kämpfe in Brandenburg/Havel.
Befreiung von Nauen.

25. April: Berlin von der sowjetischen Armee eingeschlossen, in Ketzin treffen sich das 6. (mech.) Gardekorps von Konew und die 47. Armee aus Schukows Front.
Schlacht bei Halbe.
Im sächsischen Torgau an der Elbe treffen sich amerikanische und sowjetische Truppen.
Befehl von Hitler, alle noch im Hinterland befindlichen Truppen unverzüglich an die Front zu bringen.

26. April: Eine der letzten deutschen Angriffsoperationen in Richtung Beelitz – Ferch der Armee Wenck (12. Armee) beginnt.
Die 2. Belorussische Front befreit Schwedt.

27. April Befreiung des Zuchthauses Brandenburg.
Beginn des Todesmarsches der Häftlinge des KZ Ravensbrück.
Befreiung von Potsdam.
Befreiung von Eberswalde und Prenzlau.

29. April: Potsdamer Truppen marschierten auf der Route Petzow – Mittelbusch bei Ferch der 12. Armee entgegen. Diese standen an der Linie Ferch – Seddin, drehten dann aber mit den Resten der 9. Armee nach Westen ab.

30. April: Letzte Lagebesprechung Hitlers im Bunker der Reichskanzlei, unter anderem weil die Armee Wenck kein Entsatz bringt, begeht Hitler Selbstmord.
Befreiung des KZ Ravensbrück.
Arbeitsgemeinschaft von Kommunisten und Sozialdemokraten in Potsdam-Babelsberg für den antifaschistisch-demokratischen Neuaufbau.

2. Mai: Die letzten Einheiten von Wehrmacht und Volkssturm kapitulieren in Berlin.

8. Mai: Bedingungslose Kapitulation Deutschlands.

Mit dem Jahr 1944 rückte die Front immer näher an das Kerngebiet des Deutschen Reiches und somit auch an Potsdam-Babelsberg heran. Neben der Ungewissheit vor der Zukunft und den auch in Babelsberg zunehmenden Bombardierungen – und damit dem hautnahen Erleben des Krieges, war dies auch das Zeichen, der sich in der Illegalität befindlichen KPD sowie anderer Widerstandsgruppen, verstärkt Aufrufe zum Widerstand zu verbreiten. Für die Geschichte Babelsbergs ist die Gründung einer NKFD-Gruppe bedeutsam. Über die Landesleitung der KPD in Berlin, der unter anderem Anton Saekfow, Franz Jacob und Bernhard Bästlein angehörten, kam auch der Kontakt zu Alfred Lehnert und seiner Mitstreiter*innen nach Babelsberg zustande, die gemäß den Forderungen eines Aufrufes der KPD, auch eine NKFD-Gruppe in Babelsberg bildeten. So ist auch ein geheimes Treffen von Franz Jacob mit den Lehnerts in deren Wohnlaube in der Bahnhofstraße am Bahnhof Drewitz (heute Medienstadt) nachgewiesen. Bereits im Jahr 1942 hatte sich um Alfred Lehnert und anderen Antifaschist*innen eine illegale KPD-Organisation gebildet, die Kontakte bis nach Genshagen verzeichnen konnte. Alfred Lehnert wurde 1941 nach einer dreieinhalbjährigen Haft aus dem Zuchthaus entlassen.

Am 12./13. Juli 1943 wurde das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ (NKFD), vor allem auf Initiative der Sowjetunion und der KPD, von antifaschistischen Emigranten, Widerstandskämpfer*innen und Kriegsgefangenen in Krasnogorsk bei Moskau gegründet. Das Novum des NKFD war die Herkunft ihrer Mitglieder*innen, die sich aus allen sozialen Schichten speiste und in der neben Personen des antifaschistischen und kommunistischen Widerstandes auch Wehrmachtsangehörige waren. Als programmatische Grundlage der Bewegung „Freies Deutschland“ gilt das Manifest des NKFD an die deutsche Wehrmacht und an die deutsche Bevölkerung. Darin wurde an das deutsche Volk appelliert, Hitler zu stürzen. Ziel war eine sogenannte Volksfrontpolitik, an der so viele Menschen, organisiert in kleinen Gruppen, mitwirken sollten. Bereits am 20. Juli nahm der Sender „Freies Deutschland“ seine Tätigkeit auf, eine Zeitung und viele Flugschriften ebenfalls. Der Sender sollte eine wichtige Rolle in der Übermittlung von Nachrichten und Informationen spielen. Hinzu kamen für die Orientierung und politische Arbeit die sogenannten Materialien Nr. 1 „Aktuelle Fragen unserer Zeit“ und Materialien Nr. 2 „Zur Lage“, weitere Materialien folgten. Neben dem antifaschistischen Widerstandskampf der KPD und des NKFD gab es vor allem Unterstützung von Zwangsarbeiter*innen, wie in den Rüstungsbetrieben der arisierten Maschinenbau und Bahnbedarf AG (ehemals Orenstein & Koppel), in den Flugzeugwerken von Arado oder bei Frieseke & Höpfner.

Im Herbst 1944 wurden die Reichsgrenzen im Osten wie im Westen überschritten und im Januar 1945 begann die Weichsel-Oder-Offensive der Roten Armee. Die von Marschall G. K. Shukow befehligte 1. Belorussische Front und die von Marschall I. S. Konew kommandierte 1. Ukrainische Front rückten weit in Richtung Berlin vor und Ende Januar erreichten Einheiten der 1. Belorussischen Front die Oder. Trotzdem glaubten fanatische Nazifunktionäre, wie Werner Naumann, der seine Villa in Neubabelsberg mit einem Ein-Mann-Bunker versehen hatte, an den Endsieg. Die Schlacht um Berlin wurde am 16. April eröffnet. Während die 1. Belorussische Front über die Oder in Richtung Seelower Höhen vorsetzte, begann die 1. Ukrainische Front weiter südlich ihre Offensive mit dem Ziel, sich westlich von Berlin mit der 1. Belorussischen Front zu vereinigen und die Hauptstadt einzukesseln. Durch die 1. Ukrainische Front gelang bei Cottbus rasche Geländegewinne, so dass ein Einschwenken von Süden her auf Potsdam und Berlin angeordnet wurde. So heißt es in der Direktive 00215 an die Truppen der 1. Ukrainischen Front vom 18. April 1945 unter dem Punkt 2 an den Oberbefehlshaber der 4. Panzerarmee, dass „Potsdam und der Südwestteil Berlins in der Nacht zum 21. IV. 45 zu nehmen sind“. (I. S. Konew, Das Jahr fünfundvierzig, Berlin 1982, S. 127 f. und Klaus Scheel, Die Befreiung Berlins 1945, Berlin 1985, S. 92) Schon am 22. April stießen Kräfte der 1. Ukrainischen Front in Richtung Teltowkanal bei Lichtenrade vor und andere Einheiten erreichten Saarmund. Damit war Babelsberg fasst erreicht.

In dieser Situation, geprägt von Angst und Sorge, aber auch Hoffnung und Tatendrang, ergriff die Babelsberger NKFD-Widerstandsgruppe, die sich im Jahr 1944 konstituiert hatte, die Initiative. Rund 15 Personen umfasste die NKFD-Gruppe, zu der KPD-Mitglieder*innen, aber auch Sozialdemokrat*innen und Parteilose gehörten. Über Albert Richter, einen alten sozialdemokratischen Schlosser bei Orenstein & Koppel, stellten sie die Verbindung zu den sowjetischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen her. (Bezirksleitung Potsdam der SED, Helle Sterne in dunkler Nacht, Potsdam 1988, S. 109) Schon zuvor, kurz nach der Bombardierung Potsdams am 14.04.1945 durch US-amerikanische und britische Bomberverbände, gab die NKFD-Gruppe in Babelsberg ein Flugblatt heraus, in der die Bevölkerung, besonders jedoch der Volkssturm aufgefordert wurde, mit dem Krieg Schluss zu machen und eine Front des Friedens zu bilden:
Auch unsere Stadt ist nun dem wahnsinnigen Krieg der faschistischen Bluthunde zum Opfer gefallen. Viele Tausende tote Frauen und Kinder klagen an, rufen Euch zu: Schluss mit dem imperialistischen Krieg! Schluss mit dem Massenmörder Hitler! Erkennt endlich Eure Feinde! Verlasst den Volkssturm! Werft die Waffen weg! Haltet weiße Fahnen bereit und folgt den Anweisungen der Besatzungsbehörde!… Kämpft mit uns für ein demokratisches Deutschland!
(Bezirksleitung Potsdam der SED, Geschichte der Landesparteiorganisation Brandenburg der SED 1945-1952, Potsdam 1985, S. 18/19)
Ein weiteres Flugblatt wurde produziert und in der in der Nacht zum 23. April bzw. am Morgen des 24. April in Babelsberg vom Jungkommunisten und Stiefsohn von Alfred Lehnert, Charlie Vogel, verteilt. Die Bedingungen der Produktion und Verteilung der Flugblätter waren höchst schwierig und gefährlich. Auf Matrizen wurden die Flugblätter geschrieben, die Nina Netschitailo und andere Zwangsarbeiterinnen aus den Beständen von Orenstein & Koppel besorgten und die auch an der Vervielfältigung beteiligt waren. Die notwendige Schreibmaschine stellte Gertrud Müller, die ihre Laube ebenfalls in der Laubenkolonie „Naturfreunde“ an der Bahnhofstraße in der Nähe zum Bahnhof Drewitz hatte. (Helle Sterne in dunkler Nacht, S. 115) Ihren Weg fanden die in ihrer Anzahl begrenzten Flugblätter in der Nacht an Zäune und Häuserwände. Auf dem zweiten Flugblatt des „Komitee Freies Deutschland“ heißt es:
Tagesbefehl!
Bürger von Potsdam! Volkssturmmänner!
Der Kampf um Berlin geht seinem Ende entgegen! Schon marschiert die Rote Armee über Güterfelde auf unsere Stadt. Die Naziverbrecher getürmt. Unsere „glorreiche“ Armee in wilder Flucht.
Volkssturmmänner! Wir fordern euch auf, jeden Widerstand sofort einzustellen!
Verlasst sofort den Volkssturm! Rettet das Leben Eurer Frauen und Kinder!
Haltet weiße Fahnen bereit! Jeder Widerstand ist ein Verbrechen! Wer diesem Befehl nicht Folge leistet, wird erschossen!
Tod dem Sippenmörder und Werwolf Adolf Hitler!
Komitee Freies Deutschland
(Die Befreiung Berlins 1945, S. 129)
Charlie Vogel schreibt dazu in einem Erinnerungsbericht:
Teile der sowjetischen Truppen näherten sich in westlicher Richtung Teltow und Güterfelde. In dieser Zeit kam es zu lebhaften Diskussionen in der Babelsberger Widerstandsgruppe, was wir tun könnten, um Babelsberg der Sowjetarmee kampflos zu übergeben und weitere Zerstörungen zu verhindern. An der Einfahrt nach Babelsberg hatte der damalige faschistische Volkssturm eine Panzersperre errichtet. (…) Eine halbe Kompanie Babelsberger Volkssturm bewachte diese Sperre. Die Babelsberger Widerstandsgruppe fasste den Entschluss, diese Panzersperre zu beseitigen.
(Von Kügelgen, Die Front war überall. Erlebnisse und Berichte vom Kampf des NKFD, Berlin 1983, S. 478 ff.)
Zur Unterstützung hatten sie acht sowjetische Kriegsgefangene, die um den 20. April 1945 aus einem Lager wegen ihrer Gefährdung der Verlegung in den Westen geflüchtet waren. Sie kamen in der Laube von Charlie Vogel und Alfred und Wally Lehnert unter, die sich in der Sparte Naturfreunde am Bahnhof Drewitz in der Bahnhofstraße 53 befand.

In der unmittelbaren Nähe der Laube von Alfred Lehnert gab es auch andere Lager, in denen Zwangsarbeiter*innen untergebracht waren. So gab es in der Großbeerenstraße 215-217 ein Lager von Frieseke & Höpfner mit 500 Plätzen sowie nur einen Steinwurf entfernt in der Großbeerenstraße 237 ein weiteres Lager mit 162 Plätzen. (Almuth Püschel, Zwangsarbeit in Potsdam, Wilhelmshorst 2002, S. 45). Zur anderen Seite grenzten diese beiden Lager an die Laubenkolonie Naturfreunde in der Bahnhofstraße, wo einige Antifaschist*innen, wie die Lehnerts, ihre Lauben hatten. Gut vorstellbar, dass durch diese geographische Nähe ebenfalls der Kontakt erleichtert wurde. Charlie Vogel erwähnt dies in einem persönlichen Bericht im Buch „Die Front war überall“. (Die Front war überall, S. 478) Die ukrainische Zwangsarbeiterin Nina Netschitailo, die die Bekanntschaft mit dem Kommunisten Alfred Lehnert und seiner Ehefrau im April 1943 machte, war oft dort zu Hause. Nachrichten, besonders die Lage an der Front vom Radiosender Moskau bekam sie mit und übermittelte sie schließlich im Lager.
„Oft halfen wir Lehnert beim Anfertigen von Flugblättern, brachten ihm Papier und anderes Pressematerial aus der Fabrik mit. Über unseren Genossen Anatoli Koplik hielt Alfred Lehnert die Verbindung zu sowjetischen Gefangenen aufrecht.“
(Helle Sterne in dunkler Nacht, S. 115)
Doch zurück zur Aktion der Beseitigung der Panzersperre. Charlie Vogel beschreibt, dass über Umwegen die deutschen Genossen und die sowjetischen Kriegsgefangenen zur Panzersperre durchkommen versuchten.
„Durch besonders glückliche Umstände war die Panzersperre nicht stark besetzt. Es befanden sich nur zwei Volksturmleute als Wache dort, die schnell entwaffnet waren. Gemeinsam mit den sowjetischen Kriegsgefangenen wurde die Sperre beseitigt.“
(Die Front war überall, S. 479)
Leutnant Wulkow, er war mit anderen Zwangsarbeitern in der Laube von Lehnert versteckt worden und galt als Wortführer, und der russisch verstehende Hans Eichler gingen schließlich den bei Güterfelde stehenden Truppen der Roten Armee entgegen und berichteten über ihre Aktion. Gerda Ziebell berichtet in einem Heft von Helga Bornstädt, dass Wolfgang Schumann mit Lehnert und Eichler den Soldaten entgegen ging. „Wolfgang Schumann war bei der Aktion sehr wichtig, weil er die russische Sprache beherrschte.“ (Helga Bornstädt, Mit dem Frühling kam der Frieden, Potsdam 2005, S. 3) In einer anderen Quelle wird der Anführer der sowjetischen Kriegsgefangenen mit vollem Namen, Semjon Wulkow, erwähnt und der deutsche Antifaschist Heinrich Eichler genannt. (Geschichte der Landesparteiorganisation Brandenburg der SED 1945-1952, S. 17) Bei der beseitigten Panzersperre verblieben schließlich die anderen, bewaffnet mit einigen Pistolen und einem italienischem Maschinengewehr, wie es Charlie Vogel beschreibt.

Erinnerungen Anita Grunewald, geb. Weineck an die Befreiung von Babelsberg

Beim Einmarsch der Roten Armee wurde eine Armeekolonne auf der Priesterstr. (heute Karl-Liebknecht-Str.) aus Richtung der Auguststr. (heute Tuchmacherstr.) Ecke Ludwigstr. (heute Spindelstr.) aus dem Haus Auguststr. 33 beschossen. Bei den Schützen handelte es sich nicht um die Bewohner des Hauses, sondern um Fremde. Durch einen kurzen Panzerbeschuss, der auch im Umfeld zu hören war, wurde das Haus zerstört.





Bei der weitestgehend friedlichen Einnahme von Babelsberg durch die Rote Armee fuhr auch ein Panzer in die Neue Str., um sich in Stellung für den Beschuss von in Potsdam kämpfenden Wehrmachts- und SS-Einheiten zu bringen. Ein Teil der Anwohner der Neuen Str. und Luisenstr. saß in dem winzigen Keller des Weberhauses in der Neuen Str. 5. Das Haus erzitterte, als der Panzer in die Straße einbog und das Feuer gen Potsdam eröffnete.





Beim Einmarsch der Roten Armee am 24.04.1945 in Babelsberg ging der Maurer und Kommunist Erich Weineck aus der Luisenstr. 4 (heute Wollestr.) mit seiner ängstlichen 9jährigen Tochter, die Soldaten der Roten Armee zu begrüßen. „Du brauchst keine Angst zu haben!“ sagte er seiner Tochter. Die Wilhelmstr. (heute Alt Nowawes) querend gingen sie die Lindenstr. (heute Rudolf-Breitscheid-Str.) bis zum Babelsberger Rathaus. Weiße Fahnen an den Häusern, aber ansonsten war die Priesterstr. menschenleer. Aus Richtung Norden kamen Panzer der Roten Armee die Priesterstr. in Richtung Bahnhof hinunter. Sie erzeugten einen riesigen Lärm auf dem Kopfsteinpflaster. „Winke den Soldaten zu!“ rief Erich seiner Tochter zu. Zögerlich hob sie ihren Arm und winkte. Die Rotarmisten winkten zurück. Ihr fiel auf, wie rußverschmiert die Panzerfahrer waren. Dennoch war die Situation natürlich schwer kalkulierbar und sie machten sich wieder auf den Heimweg in ihre Wohnung in der Luisenstr. Nach der vollständigen Einnahme von Babelsberg durch die Rote Armee teilten die Rotarmisten ihr Kommissbrot und Speck mit den Kindern im alten Nowawes.

Gegen Mitternacht erreichten drei Panzer aus Güterfelde kommend den Ort. „Der kommandierende sowjetische Offizier machte den Vorschlag, einen Genossen zum sowjetischen Kriegsgefangenenlage zu schicken.“ (Die Front war überall, S. 479) Charlie Vogel berichtet dann weiter, dass er auserkoren wurde, das Lager aufzusuchen. Er bekam eine schriftliche Mitteilung des sowjetischen Offiziers und schlich sich durch die deutschen Reihen. Es ist allerdings unklar, wie stark die Verbände von Wehrmacht und SS im Raum Drewitz waren. Es ist davon auszugehen, dass in Babelsberg keine starken Verbände vorhanden waren, diese wurden schließlich zur Verteidigung der Insel Potsdam benötigt. Jedenfalls überbrachte der junge Charlie Vogel den Brief an die sowjetischen Genoss*innen und verschwand mit Erfüllung des Auftrages wieder. Er beschreibt, dass vier Stunden später im Lager der Aufstand bzw. die Selbstbefreiung stattfand. „Die danach im Lager am Drewitzer Bahnhof informierten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter vertrieben die Wachmannschaften und die am Bahnhof Drewitz stehenden deutschen Truppen und besetzten die dort aufgebaute zweite Panzersperre, bis die ersten sowjetischen Panzer eintrafen“. (Helle Sterne in dunkler Nacht, S. 116). In anderer Quelle heißt es dazu, dass die ca. 150 Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter bei Orenstein & Koppel den Volkssturm und ihre Sicherheitsposten entwaffneten und ein weiteres Panzerhindernis am Bahnhof beseitigten. (Geschichte der Landesparteiorganisation Brandenburg der SED 1945-1952, S. 17) Die sich selbst befreienden Zwangsarbeiter*innen haben dabei ein Verwaltungsgebäude des Betriebes angezündet. Auch bei Frieseke und Höpfner soll es laut einiger Personen, zu einer Selbstbefreiung gekommen sein. Heute lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen, ob hier von einer Selbstbefreiung gesprochen werden kann oder ob der Werkschutz in letzter Sekunde seine Posten verließ und somit eine Selbstbefreiung recht einfach und ohne Blutvergießen möglich war. Mit dieser Aktion konnten schließlich die in den Mittagsstunden des 24. April anrollenden Panzer der Roten Armee Babelsberg fast kampflos einnehmen. Eine weitere Rolle für die kampflose Einnahme Babelsbergs werden die Flugblätter, im Besonderen das zweite der NKFD-Gruppe um Lehnert gewesen sein, in der gefordert wurde, weiße Fahnen bereit zu halten. Auch Helga Bornstädt berichtete selbst bei Veranstaltungen, dass sie als Kind die Erinnerungen hatte, dass in der Großbeerenstraße viele weiße Fahnen aus den Fenstern hingen. Diese weißen Fahnen, die eben dargestellten Aktionen und der nicht vorhandene Widerstand sorgten dafür, dass außer im Park Babelsberg und kleineren Scharmützeln, wie der Beschuss eines Panzers in der heutigen Karl-Liebknecht-Straße von der Ecke Spindelstraße/Tuchmacherstraße aus, keine Kampfhandlungen stattfanden und in Babelsberg die Panzer ohne Gefechtshandlungen die Großbeerenstraße in Richtung Teltower Vorstadt bis an die Havel fuhren. Augenzeugen berichten, dass die sowjetischen Panzer in das alte Nowawes – so auch in die Neue Straße – vordrangen, um so Gefechtsstellungen einzunehmen, die es ihnen ermöglichten, über die Havel nach Potsdam zu schießen, da sich dort immer noch SS-Verbände verschanzt hatten. Auch soll der gebürtige Nowaweser und Maler Werner Nerlich, der als Wehrmachtssoldat am 02.01.1943 zur Roten Armee überlief und dann seit Juli 1944 als Frontbeauftragter des NKFD bei der 1. Belorussischen Front, im April 1945 in der Uniform der Roten Armee unter den Befreiern in Babelsberg gewesen sein. Trotz der weitgehend kampflosen Einnahme Babelsbergs hatten sich Wehrmachtseinheiten am Griebnitzsee und in Teilen des Park Babelsberg verschanzt. Nicht nur wurde in Klein Glienicke die Enver-Pascher-Brücke (wie auch die Horstbrücke, die Lange Brücke und die Glienicker Brücke) von der Wehrmacht gesprengt, sondern auch sinnloser Widerstand 5 nach 12 geleistet. Dabei fand auch der stadtbekannte Nowaweser Kommunist Hermann Deinert den Tod. Nach der Befreiung schildert seine Frau das Geschehen wie folgt:
„Am 20.4.1945, dem Tag der Befreiung Babelsbergs durch die Rote Armee geht er in seinen Garten in der Laubenkolonie „Freie Scholle“, um seine Tiere zu füttern. Später bezeugen Gartennachbarn, dass sie ihn auf einem LKW der Roten Armee die Allee nach Glienicke hinauf fuhren sahen. Es ist zu vermuten, dass er als ortskundiger Kommunist, Rotarmisten den Weg zum Park zeigte, da es dort noch heftigen Widerstand von faschistischen Einheiten gab. Einen Tag später wird er tot aufgefunden.“
(Landeshauptarchiv Brandenburg, VdN-Akte)

Mit der Befreiung entfaltete sich sofort weitere antifaschistische Arbeit. Auch hier muss die NKFD-Gruppe um Alfred Lehnert erwähnt werden, der durch seine politische Arbeit im ehemaligen Nowawes viele Personen kannte. Kurz nach Befreiung von Potsdam, dass wenige Tage später am 27.04.1945 befreit wurde, treffen sich in der Druckerei Stein in der Potsdamer Hegelallee, in einer Quelle ist vom 1. Mai 1945 die Rede (Der 40. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus und der Befreiung des deutschen Volkes, Potsdam 1985, S. 14-15) und in einer anderen Quelle vom 3. Mai 1945 (Erinnerungen von Alfons Bommel zur Selbstverwaltung nach der Befreiung mit Babelsberger und Potsdamer Antifaschisten, Quelle: Die Vereinigung von KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in der Provinz Brandenburg. Der Beginn der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung 1945-1946, Potsdam 1985, S. 25), Antifaschist*innen aus Babelsberg und Potsdam, um einen sogenannten einen „Revolutionären Vollzugsausschuss" zu gründen. Mit der Druckerei Stein suchte man sich einen Ort, welcher nicht nur die größte graphische Firma in Potsdam mit bis zu 240 Mitarbeitern und drei Rotationsmaschinen war, sondern der vor allem durch die Zeitschrift „Die Weltbühne“, die bis zum Jahr 1933 hier gedruckt wurde und Kurt Tucholsky häufig Korrektur las, bekannt wurde. Ziel des Ausschusses war gemeinsam mit der Sowjetarmee den Neubeginn zu organisieren. Ihm gehörten von der KPD die Genossen Heese, Hausmann und Lehnert sowie von der SPD die Genossen Spiegel, Neumann und Bauer an.

Aus einem Erinnerungsbericht:
Ein großes Zimmer nahm uns auf. Die ganze Einrichtung bestand aus einem Teppich, einem mit rotem Fahnentuch bedeckten Schreibtisch und ringsherum Stühle. Der Stadtkommandant von Potsdam, Oberst Werin, sprach über all die Fragen, die uns selbst bewegten. Dann wurden gemeinsam die wichtigsten Aufgaben festgelegt. Wieder ging es vom Trinkwasser bis zum Backen von Brot. Es ging um die Erfassung aller noch vorhandenen Trecker, Maschinen, Autos, Textilien usw. Auch um die Erfassung der Menschen, der Fachkräfte, Meister und Spezialisten auf allen Gebieten. Es ging um den Gesundheitsschutz der Menschen. Gemeinsam legten wir Maßnahmen fest, um der Seuchengefahr zu begegnen; denn viele Tote lagen noch unter den Trümmern. Die Kommandantur stellte Impfstoffe und Arzneimittel zu Verfügung. Mit großer Ruhe und Bestimmtheit, der großen Verantwortung bewusst, führte Oberst Werin die Verhandlung. Zum Schluss sagte er: `Wir haben eine schwere Zeit vor uns. Aber es wird leichter sein, wenn Sie gut mitarbeiten und die ganze Bevölkerung in den Neuaufbau einbeziehen.´
(Der 40. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus und der Befreiung des deutschen Volkes, Potsdam 1985, S. 14-15)
Zugleich gaben Teile des Revolutionären Vollzugsausschuss, der auch aufgrund der Anzahl ihrer Mitglieder als Zehnerausschuss betitelt wurde oder Antifaschistische Volksfront hieß, in Babelsberg eigene Flugblätter und Aufrufe heraus, so der Aufruf „An alle ehrlichen Antifaschisten" der Antifaschistischen Volksfront Ortsgruppe Babelsberg vom 14. Mai 1945:
Zwölf lange dunkle Jahre haben uns die Nazifaschisten grausam unterdrückt und gepeinigt. Sie haben in dieser Zeit einen blutigen Ausrottungsfeldzug gegen die Parteien, Gewerkschaften, Sport- und Kulturorganisationen der Werktätigen geführt. Die tapfersten und kühnsten Vorkämpfer der Arbeiterklasse sind in dieser Zeit ums Leben gebracht worden. Alle diese Maßnahmen dienten den Nazis lediglich zur Vorbereitung ihres imperialistischen Krieges, den sie im Auftrag der deutschen Junker und Schwerindustriellen, der reaktionärsten Gruppe des deutschen Finanzkapitals, vom Zaun brachen. Fast sechs Jahre hindurch haben sie Europa verwüstet. Kultur und Wirtschaft eines ganzen Erdteils wurden von ihren Militärstiefeln zertrampelt – in einem beispiellosen Aderlass Millionen unschuldiger Menschen geschändet und getötet. Die Nazis haben ihren Krieg verloren. Was diese Feinde der Menschheit uns hinterlassen haben sind rauchende Trümmerhaufen. Diese Katastrophe ist nur möglich gewesen durch die Spaltung der Arbeiterklasse. Die blutigen Lehren der Vergangenheit zwingen uns, eine eherne Einheitsfront zu schmieden. Was die Stunde dringend von uns verlangt, ist eine Blockbildung aller ehrlichen Antifaschisten. Unser Kampf gilt sowohl dem Militarismus, wie allen reaktionären Unterdrückungsabsichten des Finanzkapitals. Die Sowjet-Regierung und die Regierungen Amerikas und Englands haben sich auf der Jalta-Konferenz die Ausrottung des Nationalsozialismus und des Militarismus zum Ziel gesetzt. Unsere Pflicht ist es, der Roten Armee bei der Lösung dieser Aufgabe, die auch unsere Aufgabe ist, tatkräftig Hilfe zu leisten. Nur so können wir das Vertrauen und die Unterstützung der Alliierten erwerben. Wir erheben daher folgende Forderungen
1. Kontrolle des kommunalen Verwaltungsapparates.
2. Strenge Beaufsichtigung der Faschisten und ihrer Helfershelfer und ihre Heranziehung zur Beseitigung der Kriegsschäden.
3. Sicherung der Ernährung und Verteilung der Güter nach sozialen Gesichtspunkten.
4. Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung.
5. Glaubens- und Gewissensfreiheit.
Antifaschistische Volksfront
Ortsgruppe Babelsberg.
(Die Vereinigung von KPD und SPD in der Provinz Brandenburg, Potsdam 1976, S. 100)

Mit dem Befehl Nr. 2 zur Bildung von Parteien und Organisationen vom 10.06.1945 durch die sowjetische Militärverwaltung konnten nun antifaschistische Parteien und Organisationen gegründet werden. Somit entstanden Ortsgruppen aller relevanter Parteien, die auch in einem antifaschistischen Block zum politischen, sozialen und wirtschaftlichen Neuaufbau unter den Augen der Sowjetischen Militäradministration zusammenarbeiteten. Unterdessen besetzte die Sowjetische Administration in Babelsberg verschiedene Straßenzüge, um entweder Verwaltungs- und Polizeibehörden, wie die Stadtkommandantur im heutigen Lindenpark oder der NKWD-Dienstsitz im heutigen Alt Nowawes 29, unterzubringen, aber auch um Personal für das Oberkommando der Roten Armee für das besetzte Deutschland mit Wohnraum zu versorgen. Das Oberkommando befand sich bis 1946 im ehemaligen DRK-Gebäude in der heutigen Universität am Campus Griebnitzsee. Beschlagnahmt wurden unter anderem Gebäude und Wohnungen in der heutigen Paul-Neumann-Straße, im Blumenweg, in der Stahnsdorfer Straße. Hinzu kamen große Areale in Neubabelsberg, wo das Personal und die Staatschefs der drei Siegermächte Großbritannien (Churchill, später Attlee), Sowjetunion (Stalin) und USA (Truman) für die Potsdamer Konferenz untergebracht wurden. Die Potsdamer Konferenz fand vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 in Schloss Cecilienhof statt und galt der Neuordnung Deutschlands und Europas nach der Befreiung. Weitere besetzte Gebäude waren unter anderem das Areal um das Apolloniahaus in der Großbeerenstraße und das UFA-Gelände.

Mit dem Befehl Nr. 2 entwickelte sich rasch das politische Leben. Bereits im Juli 1945 rief der Revolutionäre Vollzugsausschuss zum Eintritt in die Parteien auf und begann die Neuorganisierung des gesellschaftlichen Lebens und den Wiederaufbau der Stadt. Bereits im August gab es, neben antifaschistischen Gedenkveranstaltungen an die Opfer des Faschismus, wie eine unter anderem am 1. Mai in Potsdam abgehalten wurde, politische Großkundgebungen der Parteien. Erwähnt sei hier die von KPD und SPD gemeinsam veranstaltete Kundgebung im Althoff-Filmatelier in der heutigen Straße Alt Nowawes. Übrigens gründete sich hier am 17. Mai 1946 die DEFA. Obwohl fast alle Betriebe wegen der Kriegseinwirkungen und Reparationszahlungen faktisch arbeitsunfähig waren, begannen erste Reparaturen und Produktionen. Hierzu zählt zum Beispiel die erste wiederhergestellte Lokomotive nach der Befreiung aus der Lokomotivfabrik in Babelsberg im August 1945 – die kurz nach der Befreiung den „arisierten“ Namen „Maschinen- und Bahnbedarfs AG“ ablegte und zum ursprünglichen Namen der jüdischen Firmengründer „Orenstein & Koppel“ zurückkehrte, an deren Festakt auch der Stadtkommandant von Potsdam, Oberst Werin, teilnahm.

Die ersten antifaschistischen Bürgermeister von Babelsberg nach der Befreiung 1945

Nach der Befreiung von Babelsberg am 24.04.1945 – in Potsdam wurde noch gekämpft – war die sowjetische Kommandantur umgehend auf die Suche nach einem neuen Bürgermeister gegangen. Nach der „Zwangsvereinigung“ von Babelsberg mit Potsdam im Jahre 1939 verlor auch der bisherige Babelsberger NSDAP-Bürgermeister Dr. Kurt Benz sein Amt.

Auf der Suche nach profilierten Kommunalpolitikern der Arbeiterparteien aus der Weimarer Zeit konnte die SMAD kaum zugreifen. Die stark sozialdemokratisch geprägte Kommunalverwaltung von Nowawes war bis 1933 durch die Nazis weitgehend beseitigt worden. Profilierte Sozialdemokraten wie der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Paul Fleischmann, oder der SPD-Ortsvorsitzende Ernst Wache zogen nach 1933 nach Berlin. Der zweite Bürgermeister Dr. Franz Litterscheid zog von Potsdam nach Berlin und der Leiter des Wohlfahrtsamtes Paul Skirk nach Stahnsdorf. Der nicht den Arbeiterparteien angehörende ehemalige Erste Bürgermeister Walter Rosenthal, zog nach seiner Verdrängung aus dem Amt 1933 nach Potsdam und kam während des Bombenangriffs am 14.04.1945 ums Leben. Aus den Reihen der KPD war niemand vor 1933 hauptamtlich in der Spitze der Stadtverwaltung beschäftigt.

Beim Einmarsch in Babelsberg hatte die Rote Armee einen engen Kontakt mit dem sich weitgehend selbst befreiten sowjetischen Zwangsarbeiter*innen, die in den Fabriken von Orenstein & Koppel und Frieseke & Höpfner arbeiten mussten. Hinweise dieser ehemaligen Zwangsarbeiter*innen muss es auch zu danken sein, dass ein neuer antifaschistischer Bürgermeister für Babelsberg gefunden wurde.

Paul schildert dies später so:
Als mich bald nach der Befreiung der Sowjet-Kommandant von Babelsberg, zu sich beorderte. Der Kommandant blätterte in einer dicken Akte, in der die "Kontrzasjedka" (Abwehr der Roten Armee) gleich nach dem Einmarsch die Aussagen der Fremdarbeiter festgehalten hatte. Ich war mit vielen von ihnen gut Freund. Meine Wohnung in der Kleiststraße 15 war für sie eine heimliche Herberge. Hier konnten sie kochen, braten, verbotene Briefe schreiben und sich aus Dünnbier und Brot Wodka - Ersatz brauen, um ihren Kummer hinunterzuspülen. Das hatten sie offensichtlich alles dem sowjetischen Abwehrmajor Bogeslawro erzählt und mir das höchste Lob gespendet. Der Kommandant schob seine Tellermütze ins Genick und radebrechte: "Du Burgermastrow."
(Spiegel, 5.3.1952)

Der besagte Walter Paul war gelernte Schneider und wurde 1901 in Westpreußen geboren. 1924 trat er der KPD bei und zog erst nach 1933 nach Nowawes/Babelsberg. Nach der Befreiung wurde er von der SMAD als Bezirksbürgermeister von Babelsberg eingesetzt. Am 20.07.1945 wird Walter Paul dann Oberbürgermeister von Potsdam. Dieses Amt nimmt er bis 1950 war. Bis zu seiner „Flucht“ nach West-Berlin wohnte er in der Nowaweser/Babelsberger Heinrich-von-Kleist-Str. 15.

Da Babelsberg weiterhin als Stadtbezirk von Potsdam geführt wurde und damit auch einen Stadtbezirksbürgermeisters bedurfte, fiel die Wahl nun umgehend auf einen der profiliertesten kommunistischen Kommunalpolitiker, die den Krieg überlebt hatten: Gustav Mauritz. Der Schumacher wird am 04.10.1887 in Königsberg geboren und verstirbt am 14.03.1965. 1907 tritt er in die SPD ein. 1908 zieht er nach Nowawes und arbeitet bei Haase & Ruß, wo er auch Betriebsratsvorsitzender wird. Über die USPD wird er 1920 mit ihrem linken Flügel KPD-Mitglied. Für die nunmehrige VKPD war er 1921 Mitglied im Preußischen Landtag und Gemeindevertreter in Nowawes. Als Gegner der Fischer-Maslow-Linie entfremdet er sich von der Partei und zahlt auch keine Beiträge mehr. Im Rahmen der „Gewitteraktion“ der Nazis wird er 1944 für 3 Monate ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Im Mai 1945 bildete er mit anderen Mitgliedern von KPD und SPD einen „Revolutionären Vollzugsausschuss“ in Babelsberg und war dann vom 01.08.1945 bis 15.06.1948 Bürgermeister in Babelsberg. Er wohnte in der Wilhelmstr./Alt Nowawes 58.